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Von umständlichen Labyrinthen, heldenhaften Wegen und Helfern in allen Umständen

In dieser Runde des trimagischen Turniers habe ich den Minotauros von Kreta, Gandalf und die Welt von Narnia zugelost bekommen. Verbindungen zwischen je zwei von diesen Dingen sind mir mannigfaltige eingefallen, aber alle drei zu verbinden, fiel mir doch um einiges schwerer. Schlussendlich habe ich mich nun entschieden meinen Fokus auf Umstände zu legen, darauf in welche Umstände man gelangen kann und wie man mit ihnen umgeht.

Ein Gefangener der Umstände

Der Minotauros ist eine Schreckensfigur der griechischen Mythologie. Ein Mensch mit einem Stierkopf, der in einem Labyrinth haust und dem alle neun Jahre sieben Jungfrauen und Jünglinge geopfert werden müssen. So könnte man es darstellen. Man kann im Minotauros aber auch eine weitaus tragischere Figur sehen. Eingesperrt in ein Labyrinth, von dem König, dessen Gier er seine Existenz verdankte, und von diesem benutzt um einen anderen Herrscher bei der Stange zu halten.

König Minos wollte König von Kreta werden. Weil das aber nicht so einfach war, holte er sich Hilfe von einem Gott, der praktischerweise sein Onkel war. Dafür gelobte er lediglich, was auch immer dem Meer entstieg diesem Onkel, dem Meeresgott Poseidon zu opfern. Dieses Etwas entpuppte sich dann als prachtvoller Stier, den Minos „einfach“ (ich möchte hier keineswegs Tieropfer verharmlosen oder beschönigen) hätte opfern müssen. Aber das tat er nicht und deswegen bestrafte Poseidon Minos dadurch, dass er in dessen Frau den unbändigen Wunsch weckte ein Kind von eben jenem Stier zu empfangen. Der Wunsch wurde erfüllt und so kam der Minotauros in die Welt und wurde prompt aufgrund seiner Monsterhaftigkeit, für die er ja überhaupt nichts konnte, in ein Labyrinth gesperrt, welches sich der aus einer anderen tragischen Geschichte (die übrigens im selben Labyrinth beginnt) bekannte Daidalos erdachte. Und nachdem Minos einen erfolgreichen Rachefeldzug gegen die Athener geführt hat, überlegt er sich, dass er, wenn er schon ein Labyrinth mit einem schrecklichen Monster besaß, dieses auch wunderbar nutzen könnte, um die besiegten Athener nicht auf dumme Gedanken kommen zu lassen. Also sollten diese alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen schicken, damit diese dann in das Labyrinth gesteckt werden konnten. Der Rest der Geschichte des Minotauros handelt dann mehr von Theseus als von ihm, weswegen ich sie hier weglasse.

So könnte das Labyrinth ausgesehen haben, in das die Umstände den Minotauros gezwungen haben
Photo by Victor Garcia on Unsplash

Essenz der Geschichte (oder zumindest eine Essenz der Geschichte) ist für mich an dieser Stelle, dass der Minotauros eigentlich gar kein böses Ungeheuer ist. Ein Ungeheuer vielleicht schon, aber böse nicht zwangsweise. Schließlich hat der Minotauros nicht darum gebeten, in einem Labyrinth eingesperrt zu werden und dort Jungfrauen und Jünglinge zu töten. Die Umstände seiner ganzen Existenz waren einfach mehr als ungünstig. Natürlich ist alles weitere Spekulation, aber vielleicht war der Minotauros eigentlich sogar friedfertig. Wer weiß was gewesen wäre, wenn die Umstände anders gewesen wären oder wenn jemand, vielleicht sogar er selbst, denn immerhin hatte er gut 27 Jahre Zeit einen Weg aus dem Labyrinth zu suchen, versucht hätte, was an den Umständen zu ändern?

Unter Umständen Helden

Auch in der Welt von Narnia, gelangen Personen immer wieder in Umstände, die sie nicht willentlich herbeigeführt haben, mit denen sie nun aber umgehen müssen. Zunächst lässt sich hier vielleicht Jadis alias die Weiße Hexe nennen. Durch Zufall kommt sie 7 Stunden nach der Erschaffung von Narnia dorthin und wird zunächst von der Welt ferngehalten. Ob sie anders geworden wäre, wenn die Umstände anders gewesen wären, ist hier wohl noch spekulativer als beim Minotauros, da sie später tatsächlich böse handelt (wie in einem vorherigen Turnier ausgeführt).

Aber auch die zahlreichen Helden der Geschichten kommen nicht nach Narnia, weil sie es herbeiführten. Sie wurden durch Zufall oder durch unwissentliche Handlungen dorthin gebracht und in Situationen geworfen, die durchaus nicht einfach zu lösen waren. Dennoch haben sie sich zu Helden entwickelt, auch wenn der Weg bei ihnen unterschiedlich lang und unterschiedlich schwer war. Sie sind den Umständen nicht ausgewichen, sondern haben sie akzeptiert. Sie haben sich ihnen aber nicht einfach ausgeliefert, sondern versucht sie zu verändern, sie zu gestalten und eine aktive Rolle in der Geschichte zu spielen.

Den Umständen nicht allein überlassen

Eine weitere legendäre Figur, die in widrige Umstände hineinstolpert, diese aber annimmt und versucht mit Hilfe seiner Freunde diese zu ändern, ist ein junger Mann von kleiner Statur und mit haarigen Füßen. Klar, hier soll es um Gandalf gehen und diesen habe ich gerade recht offensichtlich nicht beschrieben. Aber lässt sich die Geschichte von Gandalf denn ohne Frodo Beutlin erzählen? Frodo bekommt einen Ring von seinem Onkel, den beide (zunächst) für harmlos halten und der dennoch das Schicksal der Welt besiegeln wird. Frodo hat sich das nicht ausgesucht und auch Gandalf hat sich dieses Schicksal und alles, was damit zusammenhängt, nicht für Frodo, noch für sonst irgendwen, ausgesucht. Gandalf kann es aber nicht vollkommen abwenden, er kann Frodo nicht aus diesen Umständen heraushalten, auch wenn er es zunächst noch versucht. Er kann den Ring nicht selbst tragen, da er, ebenso wie Galadriel, die es ebenfalls eindrucksvoll ablehnt, einen der drei Elbenringe trägt, noch kann er Frodo in Elronds Rat davon abhalten die Last auf sich zu nehmen. Aber das entscheidende ist, dass Gandalf Frodo diesen Umständen, die er nur teilweise und nicht unbedingt freiwillig selbst gewählt hat, nicht einfach überlässt. Er unterstützt ihn so gut er kann und geht dafür sogar durch den Tod. Er gibt alles dafür, die Hoffnung der Gefährten, des Ringträgers und letztlich von ganz Mittelerde am Leben zu halten und immer wieder neu zu entflammen, ganz so wie Círdan es ihm bei der Übergabe des eben erwähnten Rings prophezeit hat.

„Nehmt diesen Ring, Herr, denn Eure Mühen werden schwer sein; aber er wird Euch unterstützen bei der schweren Aufgabe, die Ihr auf Euch genommen habt. Denn dies ist der Ring des Feuers, und mit ihm werdet Ihr vielleicht die Herzen in einer Welt, die kühl wird, neu entzünden. […]“

Círdan zu Gandalf (Der Herr der Ringe, Anhang B: Die Aufzählung der Jahre, Seite 1203 f. Carroux-Ausgabe, zitiert nach Der Herr der Ringe Wiki)

Niemand kann die Umstände, in die er gelangt, vollkommen kontrollieren, weder wir noch die Figuren in Geschichten. Aber wir müssen uns ihnen nicht immer ergeben. Wir müssen aber auch nicht vor ihnen fliehen. Es gibt viele Wege mit ihnen umzugehen und sie zu verändern, vielleicht ebenso viele wie es Geschichten gibt. Man muss kein Minotauros werden, sondern kann auch zum narnianischen Helden werden. Manchmal braucht man dazu allerdings einen Gandalf und manchmal muss man auch dieser Gandalf für jemand anderen sein.

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