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Meinen Schmerz ertrage ich…

Spoiler-Alarm!

Dieser Beitrag enthält leichte Spoiler zu der ersten Staffel von Outlander, insbesondere zu der Folge „Die Wacht“ (S01E13).

Wir hören, lesen und erzählen in unserem Leben unzählige Geschichten. Unsere Fantasie scheint unermesslich. Und trotzdem finden wir immer wieder zu einigen Themen zurück, obwohl man doch meinen könnte, wir hätten es nicht nötig, uns zu wiederholen. Eines dieser Themen, die allerdings irgendwie einen ganz speziellen Platz in unseren Herzen inne zu haben scheinen, ist die Liebe. Natürlich. Was sonst besitzt eine solche Macht? Die Liebe scheint einen Weg in nahezu alle unsere Geschichten zu finden – auf die eine oder andere Weise. Als könnten (oder wollten) wir uns ihr nicht entziehen.

So ist die Liebe omnipräsent, in allen Genres und Medien. Eine der erfolgreicheren Liebesgeschichten der Gegenwart ist dabei Outlander. Diana Gabaldon bettete eine Liebesgeschichte in Zeitreise-Fantasy ein, doch das Surreale und Irrationale – zumindest in Bezug auf die Fantasy-Thematik – tritt schnell hinter das Hauptmotiv zurück: die unerwartete Liebe zwischen Jamie Fraser, einem gesuchten Highlander, und Claire Randall, einer Krankenschwester, die nach dem Ende des II. Weltkrieges durch die Zeit in das 18. Jahrhundert und Jamies Arme fällt.

Die Zeitreise dient also hauptsächlich dazu die beiden zusammenzuführen und das gelingt sogar ausgesprochen gut. Als Claire aufgrund ihrer fraglichen Erklärungen bezüglich ihres plötzlichen Auftauchens in Schottland in Gefahr gerät, ist zufällig der einzige Weg sie zu retten der, Jamie zu heiraten. Und so erwächst aus einer zarten Freundschaft im Laufe der ersten Staffel wahre Liebe. Nachdem Claire dies erkannt hat, muss sie Jamie allerdings eröffnen, dass sie glaubt, keine Kinder bekommen zu können. Sie zerbricht fast an ihrer Traurigkeit, da sie Jamies Wunsch, irgendwann seine eigenen Kinder großzuziehen, nicht erfüllen kann. Doch Jamie stellt Claire ohne zu zögern über seine ideellen Vorstellungen, da der Gedanke, dass sie bei der Geburt der gemeinsamen Kinder etwa – und das war damals nicht unüblich – sterben könnte für ihn unerträglich ist. Seine Antwort ist eines meiner Lieblingszitate:

„Meinen Schmerz ertrage ich, aber deinen Schmerz niemals. Das würde mir mehr Kraft abverlangen als ich habe.“

Jamie zu Claire in der Folge „Die Wacht“ (S01E13)

Spätestens hier wird deutlich, dass die Liebe zwischen Jamie und Claire eine selbstlose ist. Das Wohlergehen der anderen Person wird jederzeit über das eigene Wohlergehen gestellt. Beweisen müsse das beide das eine ums andere mal. Aber das ist auch das, was die Geschichte zu eine so berührenden und herzzerreißenden macht – es ist eine bedingungslose Liebe.

Diese Liebe ist nicht einfach nur ἔρως (érōs), sie ist ἀγάπη (agápē). Die ἀγάπη geht weit über das hinaus, was wir im Alltag erleben. Sie ist die Liebe, die das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ausmacht und das Vorbild, nach dem wir uns im Miteinander ausrichten sollen, die völlig altruistische Nächstenliebe. Meistens ist diese aber eher ein unerreichbares Ideal, nach dem wir streben. Wann bringen wir schon den Mut auf, alles für jemanden aufzuopfern ohne auch nur das geringste für uns selbst zu erwarten?

Vielleicht ist eine ἀγάπη, die aus einer nicht perfekten und daher rein menschlichen Liebe (wie der von Jamie und Claire) heraus geboren wird, der Weg, der für uns zur Erlösung führt. Ob die Liebe aus einer φιλία (philía), στοργή (storgḗ) oder dem ἔρως erwächst, ist dabei wahrscheinlich weniger von Bedeutung als die Tatsache, dass wir zu lieben lernen müssen. Was die ἀγάπη uns abverlangt können wir erst begreifen, wenn wir von uns aus ein anderes Leben über das eigene stellen. Wenn wir unsere eigene Liebesgeschichte in irgendeiner Form erfahren haben. Wenn wir alles tun würden, damit eine andere Person keinen Schmerz empfinden muss. Wir können die Liebe nur verstehen, wenn wir sie einmal gefühlt haben – der Gedanke ähnelt ein wenig Thomas Nagels‘ philosophischer Idee, dass wir nicht wüssten, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, einfach weil wir keine Fledermäuse sind. Genauso wenig wissen wir, was ἀγάπη ist, bis wir sie empfinden.

Auf diese Art und Weise lernen wir auch die christliche Botschaft erst zu verstehen. Haben wir diese Liebe gefunden, wird auch die Gott-Mensch-Beziehung, die sich selbst auf der Liebe begründet, für uns begreifbar. Auch Jesus Christus wählte den eigenen Schmerz über den aller anderen Menschen. Er war und ist die ἀγάπη selbst. Und finden wir diese ἀγάπη auch in uns selbst, ergibt auch die Schöpfung Sinn, denn die ἀγάπη wird zum Dreh- und Angelpunkt der Gottebenbildlichkeit. Nie können wir Gott näher kommen, als wenn wir selbstlos lieben.

Liebesgeschichten sind also nicht einfach nur Liebesgeschichten. Sie sind eine anthropologische Konstante, die uns etwas über das Leben beizubringen versucht. Die Liebe durchwirkt unsere Welt und unsere Geschichten und bringt uns dazu, zu fühlen. Denn erst wenn wir fühlen, fangen wir an zu verstehen. Es ist also kein Wunder, dass Outlander so bekannt geworden ist. Die Liebe von Jamie und Claire kommt dem Himmel auf Erden sehr nah, doch sie ist nicht die einzige, die uns auf diese Art zu berühren vermag. Die guten und bedeutenden Geschichten sind da draußen, wir müssen sie nur erst finden.

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