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Von paranoiden Herrschern, dem Ende aller Dinge und dem Wunsch nach Glück

Spoiler-Alarm!

Dieser Artikel enthält Spoiler zur Doctor-Who-Episode „The End Of The World“ (NW S01E02) und zum Musical „Hamilton“.

Einst gab es einen Pharao, der ein anderes Volk, die Israeliten, so sehr fürchtete, dass er nicht davor zurückschreckte, die Menschen zu versklaven und ihnen das Schlimmste anzutun. Diese Geschichte wird geschildert in „Ex 1,1-22“ und wurde mir in der Kategorie „zufälliges Kapitel der Bibel“ in dieser Runde des trimagischen Turniers zugelost, ebenso in der Kategorie „zufällige Doctor-Who-Episode“ Staffel 1 Episode 2 „The End Of The World“ und in der Kategorie „Hamilton-Song“ „Satisfied“ von Angelica Schuyler. Mir ist aufgefallen, dass all diese erzählten (oder gesungenen) Erzählungen etwas mit Ängsten zu tun haben, der Angst vor einem Volk, der Angst vor dem ultimativen Ende, der Angst eine Chance verspielt zu haben.

Jeder Mensch fürchtet sich vor irgendetwas. Manchmal sind es nur die „kleinen“ Dinge, wie Spinnen, Schlangen oder Käfer. Manchmal sind es aber auch ganz existentialistische Dinge wie Veränderungen, das Vegessenwerden oder Verlust. Diese Ängste sind manchmal geradezu lähmend und überraschen uns, denn wir leben jeden einzelnen Tag in unserer Welt und plötzlich erleben wir etwas, dass uns daran erinnert, dass das Leben nicht statisch ist und wir nicht die Macht darüber haben, die wir gerne hätten. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen übertragen wir gelegentlich in Geschichten und zeigen, dass derartige Sorgen nicht nur Sache des*der Einzelnen sind, sondern viele, wenn nicht alle Menschen betreffen. Auf die oben genannten Beispiele möchte ich näher eingehen.

Die Angst vor einem Volk oder die Angst um ein Volk?

Liest man das erste Kapitel des Buches Exodus, so kann man nicht anders als entsetzt zu sein über das Leid, das der Pharao dem Volk Israel antut und das nur aus Angst. Geschildert wird, dass die Nachkommen Jakobs zu einem großen Volk erblühen. Der Pharao aber sieht nur die wachsende Zahl der Israelit*innen und fürchtet, dass im Falle eines Krieges dieses Volk den Ausschlag über Sieg und Niederlage bedeuten könnte. Sollte sich Israel den Feinden anschließen, wäre Ägypten verloren. Ob die Israelit*innen jemals Anlass zu einer solchen Sorge gegeben haben, ist nicht von Bedeutung.

Photo by AussieActive on Unsplash

Tatsächlich aber ergreift der Pharao harsche Maßnahmen: Zunächst ließ er sie hart arbeiten, um sie zu unterdrücken. Doch das Volk wuchs weiter. Dann versklavte er sie. Machte ihnen das Leben so schwer wie nur irgend möglich. Man kann es sich vielleicht vage vorstellen, wie das Leben von Sklaven in jener Zeit gewesen sein könnte. Doch das genügte nicht: Er verfügte, dass alle männlichen Neugeborenen getötet würden. Aus ihnen könnten einst Krieger werden, die sich gegen die Unterdrücker*innen zur Wehr setzen und außerdem – ohne Männer keine Nachkommen. Es ist der einfachste Weg, Israel seine scheinbare Macht zu nehmen.

(Dass das Frauenbild hier aus einer historisch-kritischen Perspektive zu betrachten ist und in der Gegenwart wohl nicht mehr so aufgefasst werden sollte, möchte ich an dieser Stelle außen vor lassen.)

Der Pharao konnte nicht ahnen, dass ein besonderer Junge ihm bei seinem Feldzug gegen die Kinder entgehen würde – Mose, der später von der eigenen Tochter des Pharaos aufgenommen werden wird. Der noch etwas später Israel aus der Sklaverei führen würde. Ägypten sollte noch selbst großes Leid erfahren für das, was der Pharao dem Volk Gottes angetan hatte.

Aber was trieb den Pharao zu derartig schrecklichen Taten? Fürchtete er sich einfach unbegründet vor den Israelit*innen, weil er ein völlig paranoider, grausamer und wahnsinniger Mann war? Hatte er wirklich nur Angst vor dem scheinbar gesegneten Volk? Oder war er neidisch, dass das Volk derartig schnell wuchs?

„Gebt Acht! Wir müssen überlegen, was wir gegen es tun können, damit es sich nicht weiter vermehrt. Wenn ein Krieg ausbricht, könnte es sich unseren Feinden anschließen, gegen uns kämpfen und aus dem Lande hinaufziehen.“

Exodus 1,10

Oder aber tat er dies aus Angst um sein eigenes Volk? Wollte er die Menschen, die er beherrschte, nur beschützen? Ägypten hatte Feinde. Würde ihm der Krieg erklärt werden, wäre die Bedrohung für sein Volk sehr real. Menschen, für die er sorgte, würden sterben. Und was wäre, wenn sich Israel diesem Krieg gegen Ägypten anschloss? Was, wenn sogar Anspruch auf sein Land erhoben würde? Die Ägypter*innen selbst würden heimatlos werden oder Sklav*innen.

Ich möchte das Handeln des Pharaos in dieser Geschichte nicht entschuldigen. Letztlich fügt er anderen, unschuldigen Menschen und vor allem deren Kindern großes Leid zu, bevor seinen eigenen Leuten Leid zugefügt werden könnte. Das ist nicht zu rechtfertigen. Wohl aber zeigt es, dass auch diese Bibelstelle vielleicht nicht nur schwarz und weiß ist.

Was bleibt am Ende aller Dinge?

Zu der Folge „The End Of The World“ haben wir bereits einen Artikel geschrieben. Wer ihn noch nicht gelesen hat, kann das hier natürlich gerne nachholen. Die wichtigsten Punkte, will ich jedoch auch hier kurz zusammenfassen: In der zweiten Geschichte des Neunten Doktors mit Rose zieht es die beiden in die ferne Zukunft. Sie landen am Ende der Erde, kurz bevor sie von der Sonne verschlungen wird. In diesem Moment, als ihre Welt verglüht und alle, die sie jemals kannte schon längst tot und vergessen sind, fühlt sich Rose winzig und unbedeutend. Nichts bleibt übrig von allem, was je war.

Photo by NASA on Unsplash

Nicht einmal Menschen gibt es mehr – so scheint es zumindest zunächst. Cassandra betitelt sich selbst als „der letzte Mensch“ doch sie ist nicht mehr als ihre in einen Rahmen gespannte Haut und pure Arroganz. Doch wir erfahren auch, dass die wirklichen Menschen sich weiterentwickelt und mit anderen Alien-Spezies verbunden haben. Sie sind da draußen im All und tragen ihr Vermächtnis in jeden Winkel der Galaxis.

Rose steht also an einer Schwelle: Auf der einen Seite gibt es die Menschen nicht mehr, die ihr in ihrem Leben alles bedeuten. Sie wurden scheinbar vergessen. Auch Rose selbst muss in dieser Zukunft schon hunderttausende von Jahren tot sein. Sogar ihre Welt ist verlassen. Aber trotzdem – die Menschen hinterlassen etwas, das größer ist als jede*r Einzelne, ein Vermächtnis, das überdauert.

Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob dieser Gedanke tatsächlich zu trösten vermag. Wir bauen unser ganzes Leben um uns herum auf, als Individuum mit einer eigenen Identität, welches umgeben ist von anderen Individuen, die großen Einfluss auf uns haben. Wir hoffen, dass wir selbst etwas hinterlassen. Dass wir selbst es wert sind, dass man sich eines Tages an uns erinnert. Nicht nur unsere Spezies als solches.

Auf der Suche nach ein bisschen Glück

Was aber ist ein Vermächtnis, wenn wir unser Leben leben, ohne jemals wahres Glück zu erfahren. Sorgen wir uns um das, was wir der Welt hinterlassen, verlieren wir auch schnell das hier und jetzt aus dem Auge. Ganz tief in uns drin möchten wir nämlich alle auch unser Glück finden. Wie das aussieht, kann jedoch von Mensch zu Mensch anders aussehen.

Photo by Paul Gilmore on Unsplash

Angelica Schuyler aus dem Musical „Hamilton“ ist eine kluge, junge Frau, die Dinge lieber hinterfragt als einfach zu akzeptieren und auch ihre eigene Meinung nicht zurückhält. Sie weiß auch, dass sie als stille Ehefrau irgendeines durchschnittlichen Mannes nicht glücklich werden könnte. Dann trifft sie auf Alexander Hamilton. Er ist alles, was sie sich erträumen könnte: Wie sie würde er sich niemals zufrieden geben, nicht, solange er etwas verändern kann. Und er akzeptiert sie so, wie sie ist.

Trotzdem stellt sie ihn ihrer Schwester Eliza vor, die zwar nicht weniger intelligent, aber stiller und genügsamer ist. Bei der Hochzeit der beiden erinnert sie sich daran, was hätte sein können.

„I remember that night, I just might regret that night for the rest of my days.“

„Satisfied“ aus dem Musical „Hamilton“

Sie glaubt die falsche Wahl getroffen zu haben, obwohl sie ihre Gründe hatte, ihn abzulehnen. Sie ist die erstgeborene Tochter ihres Vaters, der keinen Sohn hat. Es ist also ihre Aufgabe, sich eine günstige Heirat zu suchen, die das Auskommen von ihr und ihren Schwestern sichern würde. Als sie Hamilton kennenlernt wird ihr schnell klar, dass er ihr materiell betrachtet nichts zu bieten hat. Außerdem weiß sie, dass ihr Familienname für manche Männer durchaus eine Verlockung ist, da der Name „Schuyler“ mit großem Prestige verbunden ist. Und schließlich: Sie weiß, dass Eliza selbst ebenfalls ihr Herz an Hamilton verloren hat. Sie würde jedoch niemals „Anspruch“ auf ihn erheben und Angelica den Vortritt lassen, auch wenn sie selbst dadurch unglücklich würde.

Nun fürchtet Angelica, dass sie ihre eigene Chance auf Glück verspielt hat. Zwar heiratet sie später einen anderen Mann von Stand, der ihr die Welt zu Füßen legt, doch ob sie wahrlich glücklich ist erfahren wir nicht. Hat sie tatsächlich ihr Glück verschenkt? Oder trauerte sie Hamilton so sehr nach, dass sie sich weigerte, andere Chancen zu ergreifen? Gibt es nur den einen Weg um glücklich zu werden?

Ich wäre mir da nicht so sicher. Die Welt ist groß, vielleicht müssen wir nur die Augen offen halten und einfach die nächste Chance ergreifen? Oder haben wir gar Angst davor, glücklich zu werden? Wonach sollen wir streben, wenn wir es erst gefunden haben? Ich glaube eigentlich nicht, dass wir anfangen uns zu langweilen, wenn wir glücklich sind. Ich glaube wir fangen dann an, dieses Glück zu behüten.

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