Spoiler-Alarm!
Dieser Artikel enthält starke Spoiler für die zweite Folge der ersten Staffel (New Who) von Doctor Who.
Inhaltsangabe
Im Anschluss an die Ereignisse der vergangenen Episode befinden sich Rose und der Doktor in der TARDIS, vor ihnen liegen unendliche Möglichkeiten als Reiseziel. Als Rose sich wünscht, die Zukunft zu sehen, bringt der Doktor sie fünf Milliarden Jahre weiter, auf eine Raumstation, von der aus man die Erde sehen kann. Die Sonne hat mittlerweile ihren Lebenszyklus abgeschlossen und wird in kurzer Zeit verglühen und die Erde vernichten. Die Menschheit hat ihren Planeten schon längst verlassen und sich überall in der Galaxis verstreut und weiterentwickelt.
Um das Ende der Erde gebührend zu feiern, soll an Bord der Raumstation eine exklusive Abschiedsparty stattfinden, zu der der Doktor sich und Rose kurzerhand mithilfe des gedankenmanipulierenden Papiers selbst einlädt. Zu den anderen Gästen gehören u.A. das Gesicht von Boe, Jabe (die Abgesandte der Bäume) und Cassandra O’Brien, die sich selbst als der letzte (reinblütige) Mensch bezeichnet. Allerdings handelt es sich bei Cassandra nur noch um ihre in einen Rahmen gespannte Haut mit Gesicht. Um nicht auszutrocknen muss sie ständig befeuchtet werden.
Rose derweil ist überwältigt von dem, was sie sieht: die Aliens, die Raumstation mit ihrer Technik und das anstehende Ende ihrer Welt. Aus dieser Perspektive ist alles, was sie kannte und jeder Mensch in ihrem Leben bereits lange tot und verloren. Ihr eigenes Leben scheint plötzlich unbedeutend. Sie bekommt Heimweh. Der Doktor merkt ihr ihre Verzweiflung an und ermöglicht es ihr, zu Hause in der Vergangenheit anzurufen. Doch auch das scheint nicht zu helfen, denn nun fragt sie sich, wer dieser Doktor, mit dem sie reist, eigentlich ist. Er gibt immerhin kaum etwas von sich preis.
Plötzlich jedoch verändert sich die Situation und der scheinbare Frieden wird gestört. Der Steward, der für die Festivität verantwortlich ist, wird ermordet, indem der Strahlenschild seines Büros manipuliert wird. Anschließend wird auf Rose ein ähnlicher Mordversuch ausgeübt, doch sie wird vom Doktor in letzter Sekunde gerettet. Nun will er herausfinden, wer hinter den Anschlägen steckt. Jabe unterstützt ihn, sie scheint eine Ahnung davon zu haben, wer und was der Doktor tatsächlich ist.
Sie können herausfinden, dass kleine, spinnenartige Roboter für die Sabotage genutzt wurden. Der oder die Verantwortliche muss sich außerdem auf der Raumstation befinden. Mithilfe der Roboter kann der Doktor Cassandra als Attentäterin enttarnen. Ihr Plan: alle an Bord der Station vernichten und als einzige Überlebende von dem Untergang der Station profitieren. Nach dieser Enthüllung teleportiert sie sich weg.
Nun gerät allerdings die Station in Schieflage und die Hitzeschilde drohen im Angesicht der explodierenden Sonne zu versagen. Als die Lage beinahe aussichtslos scheint, opfert sich Jabe, um dem Doktor zu helfen und die Station zu retten. Nachdem nun wieder alle anderen in Sicherheit sind, findet der Doktor Cassandras Teleportationsgerät und holt sie zurück. Er lässt sie für ihre Tat bezahlen, indem er – trotz Roses Widerspruch – zulässt, dass Cassandra aufgrund der Temperatur blitzschnell austrocknet und platzt.
Wieder im London des Jahres 2005 angekommen, gibt der Doktor Rose gegenüber nun endlich preis, wer er ist: der letzte überlebende Timelord. Seine Welt ist schon längst vergangen. Rose jedoch macht ihm klar, dass er nicht alleine ist und lädt ihn auf eine Pommes ein.
Passend zum Titel der Episode ist eines der großen Themen, die behandelt werden, die Endlichkeit. Mit was sollte die Zerstörung der Erde, unseres Heimatplaneten, uns auch sonst konfrontieren? Schon Rose‘ Reaktion am Anfang der Folge zeigt dies überdeutlich. Eben noch war sie hellauf begeistert von der Idee mit dem Doktor die Zukunft zu sehen und das Neue für sich zu entdecken. Und dann, als sie erfährt wo er sie letztendlich hingeführt hat, folgt der Schock. Das Ende der Welt ist nun wirklich kein Reiseziel für ein erstes „Date“.
Live kann sie miterleben wie alles, was sie je kannte, im Sterben liegt. Und nicht einmal dann wird es ihr ermöglicht, mit dem gebührenden Respekt diesem Ende der Welt beizuwohnen. Stattdessen wird sie in Cassandras Machenschaften verwickelt und droht im Angesicht der verglühenden Erde selbst ihr Leben zu verlieren. Wer hätte gedacht, dass man in einer so fernen Zukunft, bei der Abschiedsparty des Planeten Erde, sich am Ende noch Sorgen wegen eines versuchten Mordes machen müsste?
Im Gegensatz zu einigen anderen kann Rose jedoch gerettet werden – hier und jetzt würde sie nicht sterben. Damit wurde ein Tod verhindert, aber er wurde nicht besiegt. Zwar richtet sich die Aufmerksamkeit nicht mehr auf das Ende, für das die Großen und Guten sich hier eingefunden haben, dennoch geschieht es. Die Erde verglüht, obwohl einfach niemand zusieht. Jede*r ist nur mit seinem eigenen Leben beschäftigt, sodass das Ende der Welt schlichtweg vergessen wird. Die Erde stirbt allein und unbedacht.
ROSE: The end of the Earth. It’s gone. We were too busy saving ourselves. No one saw it go. All those years, all that history, and no one was even looking.
Aus dem Transcript von „The End of the World“ (NW S01E02)
Bloß, weil man nicht aufpasst heißt es nicht, dass das Ende nicht kommen würde. Diese eine Wahrheit kennen wir alle. Die Endlichkeit ist ein sehr menschliches Thema, wie der Doktor auch prompt feststellt. Gleichzeitig eröffnet er aber auch eine Perspektive, einen Horizont, der die Endlichkeit des*der Einzelnen übersteigt und den Blick auf die Menschheit als Ganze richtet. Denn auch wenn Cassandra dies vehement bestreiten würde, so haben die Menschen dennoch überlebt. Sie haben die Grenzen ihres Heimatplaneten überschritten, sich in der gesamten Galaxis ausgebreitet, sich weiterentwickelt. Die Menschheit überlebt.
DOCTOR: (…) You spend all your time thinking about dying, like you’re going to get killed by eggs or beef or global warming or asteroids. But you never take time to imagine the impossible, that maybe you survive. This is the year five point five slash apple slash twenty six. Five billion years in your future, and (…) this is the day the Sun expands. Welcome to the end of the world.
Dass die Menschheit sich verändert und ausbreitet ist eine Perspektive, die durchaus einen Grund zur Hoffnung, ja zur Freude, für die Menschen darstellen müsste, wenn sie nicht zu einem ähnlichen Rassismus neigen wie Cassandra. Zumindest aus der Sicht eines unsterblichen Wesens wie dem Doktor, welcher wortwörtlich ganze Zivilisationen auf- und niedergehen sieht und für den es einfach ist, das große Ganze zu sehen, ist das wünschenswert. Das individuelle Schicksal rückt dabei allerdings in den Hintergrund. In der Menschheit wird der einzelne Mensch transzendiert und so zu einem Wesen, dass die Grenze der Endlichkeit überschreiten kann.
CASSANDRA: Soon, the sun will blossom into a red giant, and my home will die. That’s where I used to live, when I was a little boy, down there. Mummy and Daddy had a little house built into the side of the Los Angeles Crevice. I’d have such fun.
Aus dem Gespräch zwischen Rose und Cassandra
ROSE: What happened to everyone else? The human race, where did it go?
CASSANDRA: They say mankind has touched every star in the sky.
ROSE: So, you’re not the last human.
CASSANDRA: I am the last pure human. The others mingled. Oh, they call themselves New humans and Proto-humans and Digi-humans, even ‚Humanish, but you know what I call them? Mongrels.
Doch dem*der Einzelnen hilft diese Perspektive angesichts der Verzweiflung, die die Endlichkeit hervorrufen kann, wenig. Jede*r ist nicht nur Teil eines großen Ganzen und einer Spezies, sondern in sich selbst bereits ein Wesen von unüberbietbarem Wert, wie in der gesamten Serie immer wieder gezeigt wird. So ist auch die Auseinandersetzung mit der individuellen, persönlichen Dimension von Sterblichkeit eine Notwendigkeit in der Beschäftigung mit der menschlichen Endlichkeit. Als Rose die feierliche Stimmung aufgrund des Endes der Erde nicht länger ertragen kann, zieht sie sich zurück. Der Doktor folgt ihr, spürt ihre Verzweiflung. Während sie durch ein Fenster ihren Planeten zum vielleicht letzten Mal betrachtet, kurz bevor das Chaos losbricht, wird ihr klar, dass alle, die sie kannte, ihre Familie, ihr Zuhause nicht ewig existieren werden. Jede*r von uns weiß das zwar, aber wie immer, wenn wir mit dem Sterben konfrontiert werden, raubt uns das Bewusstwerden den Atem. Obwohl Rose eigentlich auf Wunsch jederzeit zurückkehren könnte, ist sie in diesem Augenblick sehr einsam. Sie bittet den Doktor, etwas von sich preiszugeben, doch dazu ist er noch nicht bereit.
Stattdessen ermöglicht er es ihr, ihre Mutter in ihrer Zeit anzurufen. Ein kleiner Aufwind in der emotionalen Achterbahnfahrt, die beide, der Doktor und Rose, erleben: Rose im Angesicht des Endes ihrer Heimatwelt und allem was sie bisher gekannt hat und der Doktor, weil er all das bereits erlebt hat, weil seine eigene Heimatwelt bereits lange zerstört wurde. Anfangs waren sie noch voller Vorfreude auf ein neues Abenteuer gewesen, doch sie wurden stattdessen mit Angst, Trauer und Einsamkeit konfrontiert.
Am Ende (der Folge und der Welt) bahnen sich dann gegenseitiges Verständnis, Mitgefühl und Hoffnung den Weg: Die letzte Szene ist im gesamten Handlungsbogen eine besonders wichtige. Hier verbinden sich die Themen der Endlichkeit und der Emotionen miteinander, wenn der Doktor Rose offenbart, dass er der letzte seiner Art ist. Und da Rose nun einen kurzen Blick darauf werfen konnte, wie es ist die letzte ihrer Art zu sein, konnte sie verstehen, wie einsam sich der Doktor fühlen muss. Schließlich ist Rose diejenige, die ihm zeigt, dass er, obwohl seine Welt vernichtet wurde, jemanden hat, der für ihn da ist.
„Wenn deine Spezies überlebt, dann klatsch zwei Mal!“
Sid (Ice Age)
Lieblingszitat aus der Folge:
JABE: I don’t know, but the maintenance duct is just behind our guest suite, I could show you and your wife.
DOCTOR: She’s not my wife.
JABE: Partner?
DOCTOR: No.
JABE: Concubine?
DOCTOR: Nope.
JABE: Prostitute?
ROSE: Whatever I am, it must be invisible. Do you mind? Tell you what, you two go and pollinate. I’m going to catch up with family. Quick word with Michael Jackson.
(Rose goes to talk to Cassandra.)