Spoiler-Alarm!
Dieser Artikel enthält Spoiler zu Doctor Who (New Who) und Star Wars Episode IV: Eine neue Hoffnung.
Heimatlosigkeit, das Vertrieben- und Alleinsein, soll in dieser Ausgabe des Trimagischen Turniers der rote Faden sein, der uns durch drei neue Kategorien und Begriffe begleitet. Zugelost wurde mir in der Kategorie „Star-Wars-Figur“ Han Solo, in der Kategorie „Doctor aus New Who“ der Neunte Doktor und in der Kategorie „Märchen“ Tischchen deck dich.
Han Solo goes solo
Han Solo ist eine Kultfigur, das wird wohl niemand abstreiten. Als wir ihm das erste Mal begegnen, ist er so etwas wie ein einsamer Wolf. Er scheint nichts und niemanden zu brauchen – außer seinen Co-Piloten Chewbacca (für den die Zeit mit Han Solo im Verhältnis zu seiner Lebenserwartung sehr viel kürzer erscheinen muss). Han Solo ist praktisch ein Space-Cowboy, der sich so durchs Leben schlägt. Geld mag er nicht viel haben (genau genommen hat er sogar Schulden bei einem gewissen Gangsterboss in Schneckenform), aber trotzdem ist es ein wenig neiderweckend. Er hat die ultimative Freiheit, das gesamte Universum steht ihm offen. Er kann gehen, wohin er will. Keine Verpflichtungen, vor denen er nicht davonlaufen kann.
Aber auch keine Bindungen. Keine Heimat. Keine Familie. Völlige Unabhängigkeit birgt Vor- und Nachteile. Auch wenn Han Solo am Anfang der Star Wars-Saga in Episode IV noch so wirkt als wäre er mit seinem Leben als coolem Weltraum-Draufgänger vollauf zufrieden, so scheint es doch schon am Ende der Episode so, dass er seine neu gefundene Familie über seine Freiheit stellt. Statt mit seinem neu erlangten Reichtum zu verschwinden, kehrt er zurück, um Luke zu helfen und dem Imperium einen entscheidenden Schlag zu verpassen. Ab diesem Punkt ist er ein festes Mitglied der Familie Skywalker. In Luke findet er einen Bruder, auf den er aufpasst (wie auf Hoth), in Leia findet er sogar die Frau, die er liebt.
Auch wenn er seine Selbstständigkeit zu schätzen weiß, wählt Han Solo Bindungen und Verantwortung schließlich freiwillig. Seine Heimatlosigkeit, die er zuvor als Garant der Freiheit wahrgenommen hatte, barg auch Einsamkeit, die er zuvor vielleicht gar nicht wahrgenommen hat.

Der Doctor, der um seine Welt trauert
Noch eine andere Kultfigur, bei der Heimatlosigkeit eine wesentliche Rolle spielt, ist der Doctor. Für eine sehr lange Zeit glaubte er seine Heimat, seine Welt Gallifrey, nicht nur verloren, sondern selbst vernichtet zu haben.
Auch der Neunte Doctor ist, als wir ihn in New Who kennenlernen, ein Einzelgänger und noch dazu ein sehr seltsamer. Einsamkeit ist nicht nur für den Neunten Doctor, sondern auch für den Zehnten, Elften und Zwölften vor oder nach der Regeneration ein wichtiges Motiv. Bei den anderen Doktoren sehen und erleben wir die Zeit beinahe lückenlos mit und wir sehen, wie sie recht schnell Begleiter*innen finden. An dieser Stelle möchte ich noch kurz erwähnen, dass beim Zwölften Doktor Einsamkeit (und Verlust) ein extrem starkes Motiv ist – man denke nur an seine Zeit in der Beichtscheibe.
Doch beim Neunten Doctor wissen wir nicht genau wie viel Zeit seit seiner Regeneration vergangen ist. Auch wissen wir da noch nicht, was mit seiner Welt passiert ist, nachdem wir in NW S01E02 hören, dass sie nicht mehr da ist. Er ist diesbezüglich ziemlich verschlossen.
Es ist allerdings anzunehmen, dass er bereits eine ganze Weile alleine durch die Weiten von Raum und Zeit gereist ist. Das Einzige, das gegen diese Annahme spricht, ist der Moment in der ersten Folge, wo er sich scheinbar zum ersten Mal im Spiegel betrachtet. Allerdings könnte es genauso gut sein, dass er sich tatsächlich einfach zum ersten Mal im Spiegel sieht – für Eitelkeit ist er wirklich nicht bekannt. Auf derartiges legt er keinen Wert.
Warum aber legt der Neunte Doctor so viel Wert auf seine Privatsphäre? Warum fällt es ihm so schwer, jemanden in sein Leben zu lassen? Die Antwort darauf erfahren wir erst einige Staffeln später. Auf Gallifrey hat es Krieg gegeben, einen Krieg, den er selbst beendet hat. Sowohl der Achte Doctor als auch der Kriegsdoktor – die Regeneration, die er lange geheim gehalten hat – haben diesen Krieg miterlebt und allen Schrecken, den er mit sich gebracht hatte. Der Kriegsdoktor war am Ende derjenige, der Gallifrey scheinbar vernichtete, um das Universum vor den Folgen des Kriegs zu bewahren. Er zahlte den ultimativen Preis, da er keinen anderen Ausweg fand. Er erlitt einen schrecklichen Verlust (für den er sich wenig überraschenderweise selbst die Schuld gab) und wurde zum letzten seiner Art, zum letzten der Timelords (und -ladys).
Der heimatlose Doctor brauchte Zeit, um sich zu öffnen. In Rose fand er diejenige, die ihm ein neues Leben aufzeigte, in dem er nicht alleine dasteht, auch ohne seinen Planeten. Für ihn sind fortan bestimmte Menschen seine Heimat. Doch den Verlust eben dieser Menschen fürchtet er immer wieder mehr als alles andere.

Die vertriebenen Söhne
Die Gebrüder Grimm sind gewiss bekannt für ihre Märchensammlung, einige davon sind bekannter als andere. Eines der weniger bekannten ist „Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack“. Es geht um drei Brüder, die eine Ziege hüten sollen, die sie ernährt. Jene Ziege allerdings erzählt dem Vater, die Brüder hätten sich nicht gut genug um sie gekümmert, woraufhin der Vater seine Kinder davonjagt – auch sie werden so unfreiwillig heimatlos. Kurz darauf erkennt er allerdings die Lüge der Ziege und jagt auch sie fort.
Währenddessen kommt der älteste Bruder bei einem Schreiner unter. Am Ende erhält er von diesem einen kleinen Tisch, der, wenn man die Worte „Tischchen deck dich“ ausspricht, sich tatsächlich selbst mit allerhand Speisen deckt. Der mittlere Bruder erhält von dem Müller, der ihn aufnimmt, einen Esel, der auf den Befehl „Bricklebitt!“ hin, Gold „produziert“ (nennen wir es einfach mal so). Während ihrer Zeit auf Wanderschaft vergeben die Kinder ihrem Vater und wollen zu ihm zurückkehren. Sie hoffen, dass, wenn sie ihm ihre Errungenschaften zeigen, er sie wieder zu sich nimmt.
Auf dem Weg dorthin werden die älteren Brüder von dem Wirt eines Gasthauses betrogen und um den Tisch und den Esel gebracht, sie werden durch einen ordinären Tisch und Esel ersetzt. Die Scham ist groß als sie beides ihrem Vater vorführen wollen. Hier kommt jedoch die Errungenschaft des jüngsten Bruders ins Spiel, der bei einem Drechsler in der Lehre gewesen war. Er hatte einen Knüppel in einem Sack erhalten, der die Leute verprügelt, wenn man es ihm befiehlt. Mithilfe des Knüppels im Sack überwältigt er den Wirt und erhält Tisch und Esel zurück. Happy End.
Ich fänd es schwer zu sagen, dass die Moral der Geschichte ist, dass Gewalt die Lösung ist. Auch wenn es vielleicht ein wenig so wirkt. Stattdessen möchte ich betonen, dass diese Jungen wegen einer Lüge ihr Zuhause verlassen mussten und trotzdem den Wunsch hatten, zurückzukehren. Der Groll ist im Angesicht dessen, was sie verloren hatten, vergessen.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass alle hier thematisierten Figuren sich für ein Zuhause und für eine Familie entschieden haben. Heimatlosigkeit ist ein durchaus markantes Motiv in Literatur, Musik, Film- und Fernsehen und hat seine Beliebtheit nie verloren, denn die Suche nach einem Ort, an den wir gehören, betrifft uns alle. Immer.