Enuntiatio Accusationis: Der Doktor ist das, was man als „morally grey character“ bezeichnen würde – eher ein Antiheld als ein Held, wenn auch weniger brutal als Batman.
Defensio: Das ist durchaus in einigen Situationen zutreffend, aber dennoch ist der Doktor nicht mit Batman zu vergleichen. Wenn er in der moralischen Grauzone handelt, wenn er Selbstjustiz übt, wie zum Beispiel bei Cassandra, dann spielt er Gott. Batman richtet sich nach einem Schwarz-Weiß-Denken. Es gibt die Superschurken und es gibt die Helden, die sich ihnen entgegenstellen. Die Maßstäbe sind klar. Der Joker ist böse, also muss ihm das Handwerk gelegt werden. Das würden wahrscheinlich die wenigstens bezweifeln. Aber der Doktor hat solch ein Schwarz-Weiß-Denken nicht, was in den meisten Fällen positiv ist, aber hier eben dazu führt, dass er die Maßstäbe selbst festlegt und Ankläger, Richter und Henker in einer Person verbindet. Batman ist nur der Vollstrecker bzw. der Polizist.
Accusatio: Daran habe ich gleich mehrere Punkte auszusetzen. Zum einen das Schwarz-Weiß-Denken: Den Held/Bösewicht-Dualismus gibt es sehr wohl auch bei Doctor Who, es ist zwar wahr, dass einige Bösewichte sehr viel komplexer konzipiert sind und etwa bemitleidenswerte Beweggründe für ihr Handeln haben, doch das ändert nichts an ihrem Status als Bösewicht oder daran, dass alles daran gelegt wird, diesen Feind zu besiegen. Natürlich muss der Joker besiegt werden – die Weinenden Engel aber auch. Das ist auch das Denken des Doktors – z.B. auch in Bezug auf die Daleks, da sie eine andauernde Fehde miteinander verbindet, auch sie sind aus seiner Sicht schlicht und einfach böse. Ja, er ist dann Ankläger, Richter und Henker, aber nicht mehr oder weniger als Batman, der in den Bösewichten auch nur das Böse sieht. Meistens teilt er damit die Meinung der Weltbevölkerung, nur ist er scheinbar der einzige, der den Schurken etwas entgegensetzen kann. Er ist die einzige Exekutive, die in der Lage ist zu Handeln. Ist das beim Doktor tatsächlich so anders? Bei Cassandra wird sogar explizit gesagt, dass andere Instanzen scheitern würden. Spielt er in dieser Situation wirklich Gott – oder nicht eher dezent fragwürdiger Superheld?

Defensio: Der Joker und so ziemlich alle anderen Bösewichte bei Batman sind Psychopathen. Batman lädt sie nicht im Gefängnis, sondern in der Irrenanstalt, im Arkham Asylum, ab. Sie sind böse, einfach weil sie böse sein wollen. Es ist ihnen wahrscheinlich sogar bewusst, dass man ihre Taten moralisch nicht gutheißen kann, aber es interessiert sie nicht und es hält sie nicht ab. Bei Doctor Who dagegen gibt es nur sehr wenige Gegenspieler, deren Motivation im Dunkeln bleibt. Ja, sie ist aus unserer Sicht nicht immer einwandfrei, allerdings für sie selbst nicht wirklich verwerflich. Die Daleks und die Cybermen haben eine Vorstellung von vollkommenen Wesen, die nicht unserer entspricht, die für sie aber moralisch einwandfrei sind. Die Weinenden Engel töten um zu überleben. Die große Differenz die ich hier sehen würde ist, dass die Schurken bei Batman mehr oder weniger menschlich sind und unsere menschlichen Moralvorstellungen damit auf sie anwendbar sind. Aber Daleks, Cybermen oder Weinende Engel sind nicht anders, vielleicht müssen sie mit anderen Maßstäben beurteilt werden. Aber wer legt die Maßstäbe fest? Welche Maßstäbe können hier wirklich universal gültig sein? Und hier würde ich eine Entwicklung beim Doktor feststellen, die sich verstärkt, je weiter er sich vom Kriegsdoktor entfernt. Den Höhepunkt erreicht sie im zwölften Doktor, der dieses Kriterium kennt und predigt: Die Güte. Aber davor neigt der Doktor dazu seinen Standpunkt und teilweise auch seine Gefühle zum universalen Maßstab zu machen. Der Timelord Invictus, der Herrscher über das gesamte Universum, bricht sich immer wieder Bahn. Und dann ist er nicht mehr mit Batman zu vergleichen.
Accusatio: Bevor ich dazu komme, dir bei einem Punkt absolut zuzustimmen, würde ich doch zur Natur der Bösewichte in beiden Welten noch etwas anmerken wollen. Auch bei Doctor Who gibt es mindestens einen Bösewicht der wissentlich böse ist, und das auf geradezu gruselige Art und Weise genießt: Den Master, bzw. Missy zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Auch er/sie wäre in einer Anstalt wohl recht gut aufgehoben. Und auch auf der anderen Seite muss man sagen, dass es auch bei DC solche Schurken gibt, die nicht aus Bosheit böse sind. Ich muss da etwa an den Film Suicide Squad denken – ob man ihn mag oder nicht. Harley Quinn tut das, was sie tut, mehr oder weniger aus Liebe, auch wenn sie verrückt ist. Deadshot ist ein Auftragsmörder, der mit dem Geld Weihnachtsgeschenke für seine kleine Tochter kauft. Einige Hintergründe sind also auch hier vielschichtiger als es zunächst scheinen mag. Und dann noch zu den Maßstäben von Moral und gut und böse: Bloß weil etwas aus der Perspektive des Bösewichts nicht so schlimm ist, kann es trotzdem moralisch verwerflich sein. Es ist eigentlich sogar recht einfach: Leben werden bedroht. Ich glaube, dass das verwerflich ist, würde kaum jemand bestreiten. Die Cyberman oder Daleks reagieren beide ja auch recht empfindlich, wenn sie bedroht werden! Aber nun zu dem, wo ich definitiv zustimme: Der Doktor hat sich verändert und ich glaube nicht, dass es nur an Capaldi’s Regeneration liegt, sondern an der Figur des Doktors insgesamt. Dass Güte und Liebe das höhere Gut sind als Macht und Rache. Doch das heißt eben nicht, dass er im Laufe der Jahrtausende nicht doch manchmal den Status als „Held der Geschichte“ nicht verdient hat.