Der Glaube an eine Macht, das uns selbst übersteigt, ist etwas, das nicht unbedingt leicht fällt. Diese Macht selbst kann je unterschiedlich erscheinen, so etwa als Gottheit, als allumfassendes Prinzip oder als Schicksal. Der Glaube daran kann so unterschiedlich sein wie die Mächte selbst. Aber ein solcher Glaube verbindet die drei mir in diesem Trimagischen Turnier zugelosten Themen: in der Kategorie „Rollenspielklassen“ Paladine, in der Kategorie „Romanklassiker“ Robinson Crusoe von Daniel Defoe und in der Kategorie „Magiesystem“ das System in Doctor Strange.
Der Heilige Eid
In Dungeons und Dragons gehören Paladine in dieselbe Welt wie Orks, Warlocks, Elfen und Barbaren. Sie sind so etwas wie religiöse Krieger*innen, die sich dem Kampf gegen das Böse und Dunkle verschworen haben. Sie trainieren jahrelang ihre Kampffertigkeiten und ziehen dann hinaus in die Welt, um sie zu einem besseren Ort zu machen. Und ihre stärkste Waffe dabei ist ihre Magie, die sie entweder nutzen, um Verletzte zu heilen oder die Feinde das Fürchten zu lehren. Das alles tun sie im Namen von guten Göttern, die genauso der Ursprung ihrer Magie sind wie das Engagements für Gerechtigkeit.
Der wichtigste Aspekt des Lebens eines Paladins ist die Natur seiner oder ihrer heiligen Suche. An einem gewissen Punkt schwören Paladine einen heiligen Eid, der ihr Leben bestimmt. Sind sie ergebene Diener*innen der Gottheit, an die sie glauben, wartend auf den nächsten Befehl? Oder sind sie strahlende Helden, die sich auf uralte Traditionen berufen, noch älter als die Gottheiten selbst? Oder sind sie die Rächer*innen der Schwachen und Unterdrückten, sozusagen Engel des Todes?
Erschafft man seinen eigenen Charakter, ist dies der kritische Punkt, der das Wesen der Figur und ihr Verhalten in Krisensituationen bestimmt. Was für einen Eid schwört mein Paladin? Was ist geschehen, dass meine Figur diesen Weg für sich gewählt hat? Was treibt sie an? Woher kommt ihr Glauben? Folgt sie nur den unmittelbaren Befehlen ihrer Gottheit oder wählt sie ihre Pfade selbst – im Namen der jeweiligen Gottheit?
Prophezeiungen und Träume
Der Roman Robinson Crusoe, im Original übrigens veröffentlicht unter dem Titel „The Life and Strange Surprizing Adventures of Robinson Crusoe of York, Mariner: Who lived Eight and Twenty Years, all alone in an un-inhabited Island on the Coast of America, near the Mouth of the Great River of Oroonoque; Having been cast on Shore by Shipwreck, wherein all the Men perished but himself. With An Account how he was at last as strangely deliver’d by Pirates. Written by Himself.“ von 1719 erzählt aus dem Leben des gleichnamigen Mannes, der als Junge schon von seinem Vater prophezeit bekommt, er solle nie zur See fahren, da er dort sicher untergehen würde.
Crusoe fährt trotzdem zur See, sogar zweimal. Beim ersten Mal wird er dabei von Piraten überfallen und versklavt. Nach zwei Jahren kann er fliehen. Beim zweiten Mal ist er mit einem Schiff unterwegs, um für seine Plantage in Brasilien Sklav*innen aus Guinea zu holen. Dieses Mal gerät sein Schiff in einen Sturm und er überlebt als Einziger gestrandet auf einer einsamen Insel in der Karibik, auf der er die nächsten 28 Jahre verbringen sollte.
Obwohl die Insel unbewohnt scheint, fühlt er sich nicht sicher. Aus Wrackteilen baut er sich einen sicheren Unterschlupf und nutzt die Ressourcen der Insel, um zu überleben. Eines Tages erkrankt er an einem Fieber und das zweite Mal spielt eine Vorsehung eine Rolle: Im Traum erscheint ihm ein Mann, der ihm sagt, dass sein Leben ihn noch nicht zur Reue gebracht hat. Crusoe wird wieder gesund und ist fortan sehr religiös.

Einige Zeit darauf findet er Hinweise darauf, dass die Insel nicht ganz so verlassen ist wie er dachte. Er findet einen Fußabdruck und Überreste eines Kannibalengelages. Diese besuchen die Insel wohl bisweilen, um ihre Festmahle zu zelebrieren. Und wieder hat Crusoe einen Traum: Die Kannibalen kommen auf die Insel und ein Opfer entkommt ihnen. Crusoes Traum wird wahr. Als die Kannibalen das nächste Mal auf die Insel kommen, flieht ein Opfer und trifft auf Crusoe. Gemeinsam töten sie die Kannibalen. Crusoe nennt den entkommenen Eingeborenen Freitag und bringt ihm die englische Sprache und einiges mehr bei.
Irgendwann gelingt es ihnen gemeinsam, als erneut Kannibalen mit Opfern auf die Insel kommen, einen weiteren Eingeborenen, Freitags Vater, und einen schiffbrüchigen Spanier zu retten. Die beiden werden schließlich losgeschickt, andere Schiffbrüchige aus der Crew des Spaniers zu retten. Während sie unterwegs sind, legt ein englisches Schiff an Crusoes Insel an. Die Crew hatte gemeutert und will den Kapitän und andere auf der Insel aussetzen. Mit einer List und Gewalt können Crusoe, der Kapitän und seine Gefolgsleute das Schiff zurückerobern und setzen stattdessen die Meuterer aus. So gelangt Crueso schließlich (gemeinsam mit Freitag) doch noch zurück in seine Heimat England. Dort verkauft er seine Plantage in Brasilien, legt das Geld an und heiratet. Jahre später besucht Crusoe seine Insel erneut. Mittlerweile leben die Meuterer dort gemeinsam mit den schiffbrüchigen Spaniern in einer friedlichen Kolonie.
Letztendlich scheinen sich also alle Prophezeiungen erfüllt zu haben: Crusoe ist auf hoher See untergegangen (wortwörtlich), auch wenn er überlebte (beide Male). Als er auf der Insel ankam, bereute er noch nicht seine fragwürdigen Taten (z.B. Sklaverei), doch als er zurückkehrte, änderte er sein Leben. Und schließlich hat er auch Freitag getroffen und gerettet und mit ihm einen Freund gewonnen. Obwohl das Übernatürliche in dem Roman eigentlich (außer bei indirekten etwaigen Bezügen auf das Christentum) nicht relevant ist, ist es doch etwas merkwürdig, dass die Vorsehung so eine wesentliche Rolle spielt.
Wissen reicht nicht aus
Das Magiesystem von Doctor Strange ist bemerkenswert. Magier*innen sind scheinbar in der Lage, nur mit der Bewegung von ein paar Fingern (und Hilfsmitteln wie dem Slingring oder dem Auge von Agamotto) mächtige Waffen zu schaffen oder Portale zu anderen Orten, Dimensionen und sogar Zeiten zu öffnen. Doch, dass die Magie nicht so einfach zu verstehen ist, merkt man als Stephen Strange versucht, sie zu erlernen.
Auf der Suche nach Heilung für seine nach einem Autounfall zitternden Hände landet er in Kathmandu, wo die Magieschüler*innen von der Ältesten trainiert werden. Sie erklärt Strange, auch er könne lernen was sie kann, wenn er nur studiert und trainiert. Und das tut er. Und trotzdem scheint das nicht auszureichen. Er liest und lernt und ahmt nach, was die anderen Magier*innen tun, doch er vermag es nicht, tatsächlich Magie zu nutzen. Er glaubt, es liegt an seinen Händen, doch das ist es nicht. Was also braucht die Magie darüber hinaus, um zu wirken?
Im Film wird nicht vollständig geklärt, was das ist. Faktisch wird Strange lediglich auf dem Mount Everest ausgesetzt und er muss die Magie nutzen, um zu überleben. Und das tut er. Wir wissen nicht, was er denkt, was sich verändert als er dort fast erfriert. Aber ich vermute, dass es etwas damit zu tun hat, wie er die Magie sieht. Zuvor schien sie ihm lediglich ein Werkzeug zu sein oder eine Fähigkeit, die man einfach erlernt, wie ein Instrument zu spielen. Dabei ist Magie doch so viel mächtiger, sie kann Realitäten verändern, Naturgesetze beugen. Wäre es da vermessen zu sagen, dass die Magie, die man ausübt, auch etwas mit einem selbst macht? Dass man sich erst dafür öffnen muss? Dementsprechend wäre Magie ein reziprokes Geschehen. Dieser Gedanke passt auch zu der Idee der Relikte im Marvel-Universum. Diese Relikte besitzen gewisse magische Eigenschaften, die der*dem Träger*in mehr Macht verleihen. Aber man kann sie nicht einfach beanspruchen. Die Relikte müssen sich auch für ihr*ihren Träger*in entscheiden. Magie ist bei Doctor Strange als so etwas wie eine Macht, die (bis zu einem gewissen Grad) ein eigenes Bewusstsein besitzt und zu der man sich in ein Beziehungsverhältnis setzen muss, um sie zu nutzen.