Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Von erwarteten Rettern, unerwarteten Siegern und einer Tragödie voller Erwartungen

Spoiler-Alarm!

Dieser Artikel enthält Spoiler zu Herr der Ringe: Rückkehr des Königs.

Ich habe im Trimagischen Turnier in diesem Monat drei Themen zugelost bekommen, die auch nach langem Nachgrübeln nur schwer miteinander in Verbindung gebracht werden können. Diese Themen sind „Palmsonntag“, „Éowyn“ und „Herakles“. Das verbindende Thema, um welches es in diesem Artikel gehen soll sind Erwartungen, ihre Folgen und der Umgang mit ihnen.

Als ich in der Kategorie „Christliche Feiertage“ den Palmsonntag zugelost bekommen habe, galt mein zweiter Gedanke der entsprechenden Szene aus meinem Lieblingsmusical „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber (mein erster Gedanke wird sicher irgendwann den Weg in einen eigenen Artikel finden). Ich will mich im Folgenden auch eher auf die darin geschilderte Version der biblischen Ereignisse beziehen, auch wenn sie sich von den dortigen Schilderungen unterscheiden (sie stehen ihnen aber auch nicht konträr gegenüber). Palmsonntag ist der Tag, an dem Jesus in Jerusalem einzieht.

Am Tag darauf hörte die große Volksmenge, die sich zum Fest eingefunden hatte, Jesus komme nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen, und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels! Jesus fand einen jungen Esel und setzte sich darauf – wie es in der Schrift heißt: Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt; er sitzt auf dem Fohlen einer Eselin.

Joh 12,12-15 EU

Die Menge, die ausgezogen ist, um Jesus in Empfang zu nehmen, jubelt ihm zu. Sie setzt Erwartungen in ihn, den „König Israels“. Sie erwartet einen großen Krieger, einen Anführer, der das Volk Israel von der Unterdrückung durch die Römer befreit.

Hey J.C., J.C. won’t you fight for me
Sanna ho sanna hey superstar

Hosanna aus Jesus Christ Superstar

There must be over fifty thousand
Screaming love and more for You
Everyone of fifty thousand
Would do whatever You ask him to

Keep them yelling their devotion
But add a touch of hate at Rome
You will rise to a greater power
We will win ourselves a home

Simon Zealotes aus Jesus Christ Superstar

Die Erwartungen, die in Jesus gesetzt werden, sind groß. Er soll der verheißene Messias sein, derjenige der all das Unrecht, welches den Israeliten in der Vergangenheit widerfahren ist und immer noch widerfährt wieder geradebiegt. Man könnte vielleicht sagen, dass ein öffentlicher Druck auf Jesus lastet.

Come on God this is not like you
Let us know what you’re gonna do
You know what your supporters feel
You’ll escape in the final reel

The Arrest aus Jesus Christ Superstar

Aber Jesus enttäuscht die Erwartungen, die von der Menge an ihn gerichtet werden. Nicht aus bösem Willen oder aufgrund von schlechter Leistung, sondern zum einen, weil die Menge nicht richtig versteht, wer er ist und welchen Weg er gehen will oder muss. Zum anderen entspricht er einer anderen Erwartung, die an ihn gerichtet ist. Diese Erwartung kommt nicht von einer anonymen Masse, sondern von Gott, zu dem Jesus eine einzigartige Beziehung hat.

Listen, surely I’ve exceeded expectations
Tried for three years, seems like thirty
Could you ask as much from any other man?

[…]

Why should I die? Oh why should I die?
Can you show me now that I would not be killed in vain?
Show me just a little of your omnipresent brain
Show me there’s a reason for your wanting me to die
You’re far to keen and where and how, but not so hot on why

[…]

God, thy will is hard
But you hold every card
I will drink your cup of poison
Nail me to your cross

Gethsemane (I only want to say) aus Jesus Christ Superstar

Diese Erwartungen zu erfüllen ist vermutlich sehr viel schwerer, als es die Erwartungen der Menge gewesen wären. Aber Jesus nimmt sie auf sich. Nicht ohne damit zu hadern, aber letzten Endes erfüllt er sie doch. In der Erwartung, dass es einen größeren Sinn gibt, dass Gott ihn nicht fallen lässt. Und Gott enttäuscht die Erwartung Jesu nicht.

Auch Éowyn ist mit Erwartungen konfrontiert, die ihr nicht wirklich in den Kram passen. Als ihr Onkel Theoden in die Schlacht auf den Pelennorfeldern reitet, um Gondor im Kampf gegen die Armeen des dunklen Herrschers beizustehen, lässt er Éowyn zurück. Nicht unbedingt, weil er sie unterschätzt, sondern vielmehr, weil er sie in Sicherheit wissen will. Außerdem erwartet er, dass er nicht mehr nach Rohan zurückkehren wird und will sein Reich in guten Händen wissen. Doch Éowyn widersetzt sich den Erwartungen und reitet inkognito als Dernhelm und zusammen mit Merry im Heer nach Minas Tirith. Und in der Schlacht auf den Pelennorfeldern durchbricht sie dann ein weiteres Mal Erwartungen. Diesmal allerdings die des Hexenkönigs von Angmar, des ersten der gefürchteten neun Ringgeister. Denn dieser erwartet einen Mann vor sich zu haben, als Dernhelm sich ihm zum Zweikampf stellt, nachdem dieser ihren Onkel niedergestreckt hat. Dies stimmt den Hexenkönig zuversichtlich, denn von Glorfindel war prophezeit worden, dass er durch keines lebenden Mannes Hand fallen würde. Doch Éowyn ist eine Frau, und eine außerordentliche noch dazu, und so gelingt es ihr mit Hilfe von Merry den Hexenkönig zu besiegen und der Schlacht eine entscheidende Wendung zu geben. Vielleicht übertrifft sie so auch alle an sie gerichteten Erwartungen.

Eine eisige Stimme antwortete: „Tritt niemals zwischen den Nazgûl und sein Opfer! Oder er wird dich nicht töten! Davon trägt er dich in die Häuser des Jammers hinterm ewigen Dunkel, wo dein Fleisch verzehrt wird und dein verrunzelter Geist nackt dem lidlosen Auge preisgegeben.“
Ein Schwert fuhr klirrend aus der Scheide. „Tu, was du willst; und ich tu‘, was ich kann, um dich zu hindern!“
„Mich hindern? Du Narr! Kein Mann, der lebt, kann mich hindern.“
Dann hörte Merry von all den merkwürdigen Dingen, die er in dieser Stunde schon gehört hatte, das merkwürdigste. Dernhelm schien zu lachen. Seine helle Stimme klang glockenrein wie von Stahl. „Ein Mann, der lebt, vielleicht nicht, aber ich bin keiner. Du hast es mit einer Frau zu tun. Éowyn bin ich, Éomunds Tochter. Du stehst zwischen mir und meinem Oheim und König. Verschwinde, wenn du nicht unsterblich bist! Denn ob lebend oder untot, diese Klinge wirst du spüren, wenn du ihn anrührst.“

Der Herr der Ringe, Dritter Teil: Die Wiederkehr des Königs, Sechstes Kapitel: Die Schlacht auf dem Pelennor von J.R.R. Tolkien

Auch die Geschichte des Herakles (die man gut bei Wikipedia nachlesen kann und die ich hier ein wenig interpretiere) ist durchzogen von Erwartungen, die oft nicht erfüllt werden. Hera erwartet vermutlich von ihrem Gatten Zeus Treue, was zwar ein wenig naiv wirken mag angesichts der vielen Affären des Göttervaters, andererseits aber ihren Zorn auf Herakles erklären würde. Als Zeus festlegt, dass das erstgeborene Kind aus dem Hause des Perseus, der Herrscher über Mykene werden soll, erwartet er, dass es sich um Herakles handeln wird. Doch durch das Eingreifen der Hera, wird es Eurystheus. Letzterer erwartet nun wiederum, dass Herakles sich in sein Schicksal fügen wird und ihm Untertan ist. Dieser verweigert sich jedoch und wird von Hera mit Wahnsinn geschlagen, der dazu führt, dass er seine Kinder und in einigen Versionen auch seine erste Frau tötet. Um seine Tat zu sühnen muss er doch noch den Erwartungen des Eurystheus gerecht werden und für diesen zwölf übermenschliche Aufgaben erledigen. Auch das Ende des Herakles hat viel mit enttäuschten Erwartungen zu tun. Herakles und seine neue Frau Deïaneira erwarten vom Zentauren Nessos, dass er sein Wort hält und Deïaneira über den Fluss bringt. Doch der Zentaur bricht sein Wort und versucht Deïaneira zu entführen. Herakles erschießt ihn daraufhin mit einem vergifteten Pfeil, was dieser prompt für eine listige Rache nutzt und Deïaneira rät ein Gewand in sein Blut zu tränken und es Herakles anzuziehen, wenn sie jemals an seiner Treue zweifelt. Vielleicht erwartet Deïaneira, dass ein Sterbender sie nicht anlügen würde, jedenfalls vertraut sie auf sein Wort und als Herakles sich der schönen Iole zuwendet, lässt sie ihm das Gewand bringen. In der Erwartung seine Frau würde ihm nichts Böses wollen, legt er das Gewand an und erleidet daraufhin heftige Schmerzen. Beim Versuch das Gewand auszuziehen reißt er sich das Fleisch vom Leib und sieht keine andere Wahl mehr als sich auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu lassen. Deïaneira nimmt sich zuvor selbst das Leben und so werden zumindest alle Prophezeiungen über Herakles, die ja auch in gewisser Weise Erwartungen sind, erfüllt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert