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Star Trek: Wie Mission Farpoint über das Schicksal der Menschheit entscheiden sollte

Spoiler-Alarm!

Dieser Artikel enthält starke Spoiler für die erste Folge der ersten Staffel von Star Trek: Das nächste Jahrhundert, „Mission Farpoint“, und leichte Spoiler zum Weiterverlauf der Serie.

Das Universum, unendliche Weiten – Star Trek bedeutet für mich seit jeher vor allem eines: Fernweh nach einer Zukunft, die besser ist als das, was wir gerade auf der Welt erleben. Gene Roddenberry, der Schöpfer des sich noch immer weiterentwickelnden Franchises, hat es geschafft, die Sehnsucht nach Frieden in Bilder zu fassen. Als der Humanist, der er nun einmal war, schuf er ein Universum, in dem die Menschen die Probleme der Gegenwart hinter sich gelassen haben, in dem kein Kind mehr hungern und vor Krieg fliehen muss. Die Erde wird zur Utopie.

Nachdem die Menschheit es also scheinbar geschafft hat, ihre eigenen Probleme zu lösen, kann sie sich den Luxus leisten, den Blick nach außen zu wenden. Immerhin bietet sich uns ein ganzes Universum voller Möglichkeiten. Wer von uns hat nicht schon einmal nachts den Blick nach oben gerichtet und sich gefragt, ob das All nicht mehr zu bieten hat als Eiseskälte? Warum sollten wir sonst Menschen hinausschicken, um das, was für uns gerade noch erreichbar ist, zu untersuchen? Wir sind neugierig und testen unsere Grenzen aus. Wir wollen wissen, was da draußen noch so alles ist.

Photo by Stefan Cosma on Unsplash

Im Star-Trek-Universum ist es so, dass die Galaxien ein schier unbeschreibliches Potenzial offenbaren, fremde Welten und neue Zivilisationen. Das Raumschiff Enterprise ist dabei nur eines von vielen, welches sich auf den Weg macht, diese zu ergründen. Technologie, Schönheit und Fremdartigkeit erwarten alle, die die Reise wagen. Leider musste schon die Crew rund um Captain James T. Kirk in der ersten Star-Trek-Serie „Raumschiff Enterprise“ (TOS), welche Mitte der 1960er Jahre erstmals auf den Bildschirmen zu sehen war, erkennen, dass nicht alle Völker da draußen so friedfertig waren wie sie. Die Struktur der frühen Folgen war stets ähnlich: Am Anfang steht ein Notruf oder eine Bitte. Die Enterprise eilt zur Hilfe. Nicht selten begegnet die Crew dabei Wesen, die ihre scheinbare Übermacht zur Schau stellen, sich als Bedrohung erweisen und manchmal ganze Völker bedrohen. Mithilfe der Klugheit der Protagonist*innen der Serie wird jedoch mit sehr wenigen Ausnahmen der Konflikt immer zugunsten der Crew gelöst. Die Menschheit wird zum Symbolbild der Hoffnung für die Schwachen und Unterdrückten.

Eine neue Generation – ein neuer Aufbruch

Zu Beginn der zweiten Serie von Gene Roddenberry, „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“ (TNG), wird der Spieß umgedreht. In der Pilotfolge „Mission Farpoint“ (TNG S01E01 und E02) sind die Menschen dem fremden Wesen, dem sie begegnen, in keiner Weise überlegen.

Zweifelsohne ist der erste Auftritt des übermächtigen – aber nicht allmächtigen (siehe dazu „Star Trek: Der nicht ganz so allmächtige Q“) – Q ein ungewöhnlicher. Als sich vor der Enterprise eine Barriere im leeren Weltraum auftut, die den Weiterflug unmöglich macht, taucht plötzlich ein in schimmernder Rüstung gekleideter Mann auf der Brücke auf und fordert in mittelalterlicher Ausdrucksweise den Rückzug der Menschheit aus dem All. Da kann auch der neue Captain, Jean-Luc Picard, im Angesicht der Absurdität der Situation nur die Stirn sorgenvoll runzeln. Auch wenn der*die geneigte Zuschauer*in an dieser Stelle noch schmunzeln mag, so zeigt sich nur wenige Sekunden später die Ernsthaftigkeit des Motivs dieser Episode.

„[Es] wurden Millionen hingeschlachtet als es um die Verteilung der Ressourcen eurer winzigen Welt ging. Weitere 400 Jahre zurück habt ihr euch gegenseitig ermordet bei dem Streit um ungleiche Gottesbilder. Seit der Zeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Menschen sich ändern.“

Q über die Schuld der Menschen

Q fordert als Bestrafung für die Verbrechen der Menschen, dass diese nicht weiter den Weltraum erkunden und sich in die Probleme anderer Welten einmischen. Eine Spezies, welche so lange sich selbst bekriegt hat, wie sollte sie für andere Welten irgendetwas Gutes bedeuten? Q hätte die Macht dazu, die Einmischungen der Menschheit zu unterbinden.  In einem bizarren Gerichtsprozess will er die Schuld der Menschen noch unterstreichen und zeigen, dass die Menschen sich über die Jahrtausende hinweg nicht geändert haben: Sie sind ein blutrünstiges, kriegerisches Volk. Dass Q selbst dabei als Richter, Ankläger und (einziger) Geschworener an dem Prozess mitwirkt, verbessert die Chancen der Crew der Enterprise nicht gerade, die Menschheit, als deren Repräsentantin sie eingesetzt wird, zu verteidigen. Hierzu wird sie auf die Probe gestellt.

An dieser Stelle möchte ich vor einem kleinen Spoiler warnen, denn ich werde auflösen, wie der Prozess endet. Ausgehend davon, dass im Anschluss an diese Episode noch einige Staffeln, Serien und Filme veröffentlicht wurden, lässt sich schon erahnen, dass es der Crew gelingt, Q davon überzeugen, dass die Menschen gut sind. Dazu löst sie das Geheimnis rund um Farpoint Station, einer Raumstation, wo auf nahezu magische Art und Weise alle materiellen Wünsche in Erfüllung gehen. Allerdings wird die Station von einer unbekannten Macht vom Weltraum aus bedroht, alle auf der Station scheinen in Gefahr zu sein. Als sich zeigt, dass die Magie der Station einem riesigen, quallenartigen Wesen zu verdanken ist, welches von den nicht-menschlichen aber humanoiden Besitzer*innen der Raumstation versklavt wurde und nun ein zweites dieser Wesen es aus dem All zu retten versucht, entwickelt sich ein Konflikt, der an der Schwelle steht, zu eskalieren. Letztlich gelingt es der Crew aber dennoch gewaltfrei das gefangene Wesen zu befreien. Ich möchte allerdings nicht vergessen zu erwähnen, dass diejenigen, die es versklavten, nicht schadenfrei davonkamen, da die Station vollständig zerstört wird, auch wenn die Anwesenden zuvor evakuiert werden konnten.

Die erfolgreiche Mission reicht, um Q davon zu überzeugen, dass die Menschheit zu mehr in der Lage ist als Gewalt. Ich finde das ein wenig überraschend. Mehr braucht es nicht, um ihn umzustimmen? Zu Beginn der Episode hatte Q noch eine Auswahl vergangener Kriege aufgezählt und einige die uns – aus der Perspektive der gegenwärtigen Zuschauenden – noch bevorstehen. Picard sagt an einer Stelle: „Wir Menschen kennen unsere Vergangenheit, auch wenn wir uns ihrer schämen.“ Ich stimme zu, wir Menschen kennen unsere Vergangenheit und der*die ein oder andere schämt sich sicherlich auch für die blutige Historie unseres Planeten, doch wir haben heute noch längst nicht das überwunden, was hier gemeint ist. Noch gibt es viel zu viel Leid auf der Welt, für das wir ganz allein selbst verantwortlich sind. Wie viele Kriege toben zurzeit auf der Erde? Wie viele Menschen fliehen jeden Tag aus ihrem Zuhause, nur auf der Suche nach Frieden und Sicherheit?

Dreihundert Ellen lang, fünfzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch

Die Hoffnung, dass wir bis zu der Zeit von Star Trek all dies überwinden – und so etwas wie ein intergalaktisches Vorbild werden – ist trotz alldem nicht grundlos. Sie speist sich aus den Momenten, wo die Menschen durch die Zeiten hinweg füreinander handeln und nicht gegeneinander. Sie zeigt sich dort, wo es Güte gibt und wo Konflikte nicht mit Waffengewalt gelöst werden. Aber reicht das aus, um die Menschheit nicht zu verurteilen?

Die ganze Szene erinnert mich sehr an eine biblische Geschichte. Auch hier wurde die Menschheit als Ganzes – mit einer geringfügigen bootbauenden Ausnahme – für ihre schlechten Handlungen bestraft. Es fällt mir dabei zwar schwer zu glauben, dass außer Noach und seiner Familie tatsächlich niemand es wert war gerettet zu werden, aber das sei an dieser Stelle vorerst nur dahingestellt.

„Da sprach Gott zu Noach: Ich sehe, das Ende aller Wesen aus Fleisch ist gekommen; denn durch sie ist die Erde voller Gewalttat. Siehe, ich will sie zugleich mit der Erde verderben.“

Gen 6,13

Wie in der thematisierten Star-Trek-Episode wird in der Geschichte der Arche auf die Gewalt Bezug genommen als Grund dafür, dass über die Menschheit gerichtet werden muss. Sie ist der Beweis, dass die Schöpfung nicht gut genug ist, Gott schickte daher die Sintflut, die nahezu alles Leben auf der Erde vernichtete. Ein drastisches Urteil. Verschont von dieser Pauschalverurteilung blieb nur Einer: „Noach war ein gerechter, untadeliger Mann unter seinen Zeitgenossen.“ (Gen 6,9) Er und seine Familie überlebten, weil Gott in ihm das Gute sah, ebenso wie Q lernte, in Picard und seiner Mannschaft das Gute zu sehen.

Doch ich möchte die Parallelen nicht überstrapazieren. In dieser Logik hätte Q nur die Enterprise verschonen müssen. Auch stand eine kollektive Vernichtung nie zur Debatte, nur das Verbot, weiter das All zu erforschen. Ganz besonders aus der Perspektive von Gene Roddenberry ist allerdings auch diese Drohung fatal, da er den Wunsch der Menschen nach Wissen und Verstehen als wesensbestimmende Tugend betrachtete. Q aber lässt am Ende von Mission Farpoint alle Menschen weiter nach den Sternen greifen. Warum? Ist durch Farpoint Station nicht nur bewiesen worden, dass die Besatzungsmitglieder der Enterprise friedfertig sind?

„Ich werde den Erdboden wegen des Menschen nie mehr verfluchen; denn das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an. Ich werde niemals wieder alles Lebendige schlagen, wie ich es getan habe.“

Gen 8,21

Nachdem die Menschen fast vernichtet wurden, schwört Gott nie wieder ein solches Urteil zu fällen. Damit ist keineswegs gesagt, dass das Böse in den Menschen ausgerottet wurde, stattdessen scheint es akzeptiert zu werden. So finster das auch klingen mag, es heißt, dass die Menschen dazu in der Lage sind, entgegen der Erwartung auch gut zu sein, es hat immer wieder solche Menschen gegeben: Wenn auch nur ein Mensch gerecht und untadelig sein kann, können es alle.

Die Tatsache, dass es in der Menschheit auch diejenigen gibt, die tatsächlich nach Frieden streben, ist das, was wichtig ist – solange es Menschen gibt, die gut und gerecht sind, gibt es Hoffnung, dass irgendwann keine Kriege mehr dafür sorgen, dass Kinder ihre Familien, ihr Zuhause verlieren. Es klingt wie eine Utopie, doch das bedeutet nicht, dass wir nicht alle daran mitwirken können.

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