Enuntiatio Defensionis: Frodo ist, entgegen dem Gefühl, dass man manchmal in den Filmen bekommen kann, ein extrem starker Charakter. Er vollbringt etwas, was sicher niemand anderes aus der Gemeinschaft der Gefährten hätte vollbringen können, was oftmals übersehen wird. Für eine sehr lange Zeit, trägt er den Ring und verfällt ihm erst am Ende seines Weges. Und an dieser Stelle ist die Versuchung sicherlich am allergrößten, denn hier hat der Ring ein sehr großes Interesse daran, nicht vernichtet zu werden.
Accusatio: Im Gegenteil, ich würde sagen, gerade weil er ein schwacher Charakter ist, macht ihn das zum perfekten Ringträger – seinen Heldenstatus möchte ich ihm aber nicht absprechen. Es hat sich nur besonders gut angeboten einen Hobbit auszuwählen, um diese Bürde zu tragen, da, gerade weil sein Potenzial nicht allzu groß ist, auch der Schaden, den er anrichten könnte – sollte er dem Ring verfallen – nicht zu fatal wäre. Man betrachte nur einmal Gollum: Er ist dem Ring verfallen aber so ein großes Problem ist er nun auch wieder nicht. Was aber wäre passiert, wenn Galadriel oder Gandalf den Ring nach Mordor gebracht hätten und ihm verfallen wären? Unbegrenzte Macht in den Händen Saurons!
Defensio: Zunächst zu Gollum: Zum einen zeigt dieses Beispiel, wie schnell jemand und besonders vielleicht eine so „unbedeutende“ Figur wie ein Hobbit (auch wenn Sméagol, natürlich eher ein Verwandter/Vorfahre der Hobbits, als ein richtiger Hobbit ist), dem Einen Ring verfallen kann. Bei Sméagol dauert es nicht einmal Minuten und schon hat der Ring ihn unter seiner Kontrolle – und bringt ihn dazu zu töten. Frodo ist dem Ring sehr, sehr viel länger ausgesetzt und knickt erst ganz am Ende ein. Zum anderen ist auch Gollum durchaus nicht harmlos. Ja, von ihm geht vielleicht für die meisten Lebewesen in Mittelerde (abgesehen von Fischen, Kaninchen und Vögeln) keine physische Gefahr aus. Aber der Ring könnte ihn mit Leichtigkeit dazu bringen, ihn zu seinem eigentlichen Meister zurückzubringen – wäre das nicht von Bilbo Beutlin verhindert worden. Nun zu Gandalf und Galadriel: Ich glaube nicht, dass die Gefahr die von den beiden ausgehen würde, würden sie den Einen Ring (zusätzlich zu ihren eigenen Ringen der Macht) besitzen, darin bestünde, dass ihre Macht Sauron in die Hände fallen oder zu gute kommen würde. Sie würden ihre Macht sicherlich einsetzen um den Dunklen Herrscher zu vernichten. Die Frage ist eher was danach kommen würde. Der Grund aus dem Gandalf und Galadriel den Einen Ring ablehnen, ist in meinen Augen nicht die Gefahr, die sie darin sehen dem Ring zu verfallen, sondern das Wissen, dass sie nicht umhin könnten den Ring zu gebrauchen. Etwas was Frodo (abgesehen von einigen Verschwinde-Tricks) vollkommen fernliegt und die eigentlich größte Versuchung des Rings.
Accusatio: In meinen Augen geht es nicht darum, wie schnell jemand dem Ring verfallen würde. Für die Story war es nur sehr glücklich, dass Frodo dem Ring erst spät verfiel, aber es hätte sich sicherlich auch sonst eine Möglichkeit ergeben, Frodo aus dem Weg zu schaffen und zu ersetzen (ja, die Aussage tut mir auch ein wenig in der Seele weh). Es geht auch nicht einmal darum, was passieren würde, wenn Galadriel oder Gandalf dem Ring verfallen – die Welt wäre vermutlich so oder so verloren. Es geht um ein kalkulierbares Risiko. Und Frodos Potenzial IST kalkulierbar.
Defensio: Zunächst würde ich sagen, dass Frodo eben nicht ersetzbar ist. Nur ein Hobbit und wahrscheinlich auch nur eben dieser Hobbit, der durch seine Vorgeschichte und seinen Onkel geprägt wurden, konnte den Ring bis zum Schicksalsberg bringen, weil er eben nur ein Hobbit ist. Weil die größte Versuchung des Rings, unbegrenzte Macht, an einem Hobbit abprallt, weil es für ihn eben keine Versuchung darstellt (sowie für Tom Bombadil). Was sollte ein Hobbit auch mit unbegrenzter Macht? Außer vielleicht so viel frühstücken wie man will. Für Gandalf und Galadriel ist diese Versuchung viel größer, viel realer. Es geht nicht um das Risiko, was passiert, wenn der Ringträger dem Ring verfällt, sondern um das Potenzial den Ring in den Schicksalsberg werfen zu können. Und dieses Potenzial birgt nur der unscheinbare Hobbit aus dem Auenland.
Accusatio: Aber das ist doch genau das, was ich zu sagen versuche. Natürlich musste es ein Hobbit sein! Ob es jetzt nur Frodo hätte sein müssen (wie du sagst aufgrund seiner Geschichte) oder ob nicht auch ein anderer Hobbit – Sam etwa – genauso weit gekommen wäre, ist, denke ich, eine andere Frage. Es durfte nur eben kein anderes, mächtigeres Wesen sein, denn das Schicksal Mittelerdes und der ganzen Welt wäre besiegelt gewesen. Ich möchte auch nochmal betonen, dass Frodo dem Ringe verfallen IST. Nur eine glückliche Fügung der Ereignisse, ließ den Ring an dieser Stelle trotzdem sein Ende finden. Vielleicht war es sogar völlig unmöglich, dem Ring nicht zu verfallen – wer weiß. Aber weil Frodo eben „nur“ ein Hobbit ist, gibt es ein Happy End. Er ist der Held, der den Ring zum Schicksalsberg gebracht hat (ihn aber nicht vernichtet hat). Aber auch das mit Hilfe. Gerne möchte ich an dieser Stelle aber noch hinzufügen, dass die Geschichte wie sie ist mit Leibniz‘ Worten wahrscheinlich die beste aller möglichen Geschichten ist. Tolkien hat mit genau diesem Helden Frodo ein Meisterwerk geschaffen.
Defensio: Das nicht als Schlusswort stehen zu lassen, fällt mir ziemlich schwer. Wir sind uns offensichtlich darin einig, dass es ein Hobbit sein musste, der den Ring an sich nimmt. Die Frage ist, warum es ein Hobbit sein musste. Deiner Meinung nach, weil er das geringste Risiko darstellt. Ich würde aber sagen, dass es ein Hobbit sein musste, weil er die einzige Möglichkeit darstellte. Das Risiko ist auch bei Frodo unendlich hoch. Nicht weil er dem Ring verfallen könnte und sich zum neuen Dunklen Herrscher aufschwingen könnte, sondern weil er eben „nur“ ein Hobbit ist und es Sauron, wüsste er denn sicher was abgeht, nicht schwer fallen würde, den Ring seinen Händen zu entreißen. Aber eine andere Möglichkeit gibt es halt nicht. Gandalf, Galadriel, Denethor, Aragorn, alle anderen, die den Ring haben wollten oder denen er angeboten wurde, konnten ihn nicht tragen. Nicht nach Mordor und zum Schicksalsberg. Nicht weil das Risiko so groß gewesen wäre, sondern weil sie nie zu dieser Mission aufgebrochen wären. Deswegen ist Frodo die einzige Möglichkeit, egal wie groß die Risiken sind.