Spoiler-Warnung
Enthält Spoiler zum Film „Klaus“ (2019).
Ein junger Postbote, genauer gesagt, der Sohn des obersten Ausbilders aller Postboten, ist Luxus und Annehmlichkeit gewohnt. Während alle anderen angehenden Postboten um ihn herum fleißig trainieren, genießt Jesper Wellnessbehandlungen, Kaffee und die Fürsorge von Bediensteten. Auf all dies muss er nun plötzlich verzichten, als sein Vater ihn an den wohl unfreundlichsten Ort versetzt, den man sich ausmalen kann: Zwietrachtingen. Dort sorgen zwei verfeindete Familien für ein Klima aus Hass und Feindschaft, in dem niemand dem anderen vertraut und jeder jedem direkt ans Leder will. Doch weit außerhalb der Stadt trifft Jesper auf einen großen bärtigen Mann, von dem er zunächst annimmt, dass auch er ihm Böses will. Aber es kommt anders als gedacht und ein Wunder nimmt seinen Lauf.
Auch wenn die Weihnachtszeit schon etwas länger vorbei ist, will ich mich heute einem Zitat aus dem schönen Weihnachtsfilm „Klaus“ (2019) widmen. Es soll um einen Satz gehen, den die verstorbene Frau von Klaus, dem großen bärtigen Mann, den ich eben erwähnt habe, zu sagen pflegte. Klaus sagt ihn zu Jesper und eigentlich bringt er das gesamte Geschehen des Films wunderbar auf den Punkt:
Eine wahrhaft selbstlose Tat befeuert die nächste.
Klaus
Oder in einer anderen Formulierung, die Jesper am Ende des Films gebraucht:
Ein Akt wahrer Nächstenliebe befeuert immer den nächsten.
Jesper
Auf einen Akt wahrer Nächstenliebe folgt ein weiterer, und dieser zieht einen neuen nach sich und auf diesen folgt wieder einer. Und so entwickelt sich die Kette immer weiter. Etwas, was selbstlos und aus Nächstenliebe getan wird, kann eine große Wirkung entfalten. Denn wer wahre Nächstenliebe erfährt bleibt davon nicht unberührt. Der Film zeigt dies auf äußerst eindrückliche Art und Weise.
Nach ihrem ersten Zusammentreffen beginnen Klaus und Jesper gemeinsam Geschenke an die Kinder von Zwietrachtingen zu verteilen, die Klaus, der ein begnadeter Spielzeugmacher ist, hergestellt hat, die aber nach dem Tod seiner Frau nur im Lagerraum Staub ansetzen. Zunächst beginnt Jesper mit der Aktion um das von seinem Vater geforderte Ziel von 6000 zugestellten Briefen zu erreichen. Doch nach und nach tritt dieses Motiv in den Hintergrund und das Verschenken des Spielzeugs wird zu einer wahrhaft selbstlosen Tat. Und die Reaktion bleibt nicht aus. Die Kinder legen den ihnen anerzogenen Hass ab, sie spielen miteinander und aus Feinden werden Freunde. Statt Geschrei, Flüchen und Schmerzenslauten hört man bald in der Stadt nur noch Gelächter und Musik. Denn der Gemütswandel der Kinder schlägt schnell auch auf ihre Eltern aus und so werden aus Nachbarschaftsfehden Grillfeste und die Waffen werden gegen Musikinstrumente getauscht.
Der Akt der Nächstenliebe, das Verschenken von Spielzeug an Kinder, die nur eine trostlose und graue Wirklichkeit kennen, die eigentlich keinen Ort für die Kindheit bietet, zieht eine Kette von selbstlosen Taten nach sich. Und diese Kettenreaktion der Liebe schafft es die Spirale aus Hass und Gewalt, die soweit zurückreicht, dass ihre Anfänge nicht viel mehr als legendarische Ahnenerzählungen sind, zu durchbrechen und immer weiter aufzulösen. Die Botschaft ist klar: Auch wenn seit ewigen Zeiten Gewalt immer nur mit Gewalt und Hass immer nur mit Hass beantwortet wird, sobald sich jemand dagegen stellt und mit Nächstenliebe antwortet, kann die Liebe und die Freude triumphieren.
Diese Botschaft ist natürlich nicht neu und keine Erfindung des, nichts desto weniger, großartigen Films „Klaus“. Sie ist einer der Kernpunkte der Verkündigung Jesu und begegnet uns in den Evangelien immer wieder. So antwortet Jesus, als er gefragt wird, was das oberste Gebot sei, an welches man sich halten müsse:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Mt 22,37-39
Das sogenannte Doppelgebot der Liebe, besteht aus dem Gebot der Gottesliebe und dem der Nächstenliebe. Beides gehört fest zusammen und kann im Evangelium nicht voneinander getrennt werden. Hier möchte ich mich jedoch nur auf den zweiten Teil beschränken. Im Lukasevangelium wird Jesus anschließend gefragt, wer denn der Nächste sei und antwortet mit dem bekannten Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-37). An diesem Gleichnis wird klar: Der*die Nächste ist nicht, wer mir sowieso schon nahesteht, meine Freunde und Familie, sondern der*diejenige, der*die mir konkret vor Augen steht und meine Hilfe, meine selbstlose Tat, meine Nächstenliebe benötigt. Dies kann jemand vollkommen fremdes sein oder sogar jemand, von dem*der ich mich eigentlich abgrenzen will, wie im Gleichnis.
Jesus geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er von der Feindesliebe spricht, die zum Kern der jesuanischen Verkündigung gehört:
Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen!
Lk 6,27
In den weiteren Versen (Lk 6,27-36) gibt Jesus eindrückliche Beispiele dafür wie diese Feindesliebe aussehen kann. Denn es geht nicht darum seinen Feind in der Theorie zu lieben, sondern es geht um die Praxis mit der alles anfängt. Durch die Feindesliebe, dadurch, dass man der Gewalt und dem Hass nicht mit neuerlicher Gewalt oder mit Ignoranz begegnet, sondern mit Güte, kann der Zirkel der Gewalt durchbrochen werden. So kann Frieden entstehen, denn eine wahrhaft selbstlose Tat befeuert die nächste und die Nächstenliebe kann sich immer weiter ausbreiten, sodass aus tristen und dunklen Wirklichkeiten Orte voller Lachen, Licht und Fröhlichkeit werden.