Spoiler-Warnung!
Dieser Artikel enthält Spoiler zu „The Witcher“ (S01E01).
In der Tradition meiner Artikel in dieser Reihe möchte ich mir heute erneut ein Zitat vornehmen, das eine anspruchsvolle Ethik vermittelt. Es soll um eine Aussage gehen, die Geralt von Riva in der ersten Folge der ihm gewidmeten Serie „The Witcher“ macht. Das Zitat fällt in einem Gespräch zwischen diesem und Stregobor, der Geralt dazu bringen will Renfri zu töten, da er fürchtet, dass sie große Dunkelheit über die Welt bringen könnte. Als Antwort erhält Stregobor:
Übel ist Übel, Stregobor. Kleiner, größer, dazwischen, es ist alles dasselbe. Ich verurteile dich nicht. Ich habe im Leben nicht nur Gutes getan. Aber wenn ich zwischen dem einen und dem anderen Übel wählen soll, wähle ich lieber gar nicht.
Geralt von Riva
Renfri ist laut Stregobor das letzte von Mädchen, welches unter der Schwarzen Sonne geboren wurde und deswegen innere Mutationen besitzt, die sie immun gegen Magie machen. Nach einer Prophezeiung besitzt sie außerdem die Macht der Dämonengöttin Lilith den Weg zu ebnen und so die Welt ihrem Untergang preiszugeben. Stregobor stellt sie als durch und durch böse Person dar, die aus Vergnügen tötet. Um den Untergang der Welt zu verhindern sucht Stregobor sie und will sie von Geralt töten lassen.
Stregobor stellt hier eine klare Abwägung an: Es ist besser, dass eine Frau stirbt, als dass die gesamte Welt zum Untergang verdammt ist. Er folgt dabei dem utilitaristischen Prinzip und schätzt das Wohlergehen der Vielen höher ein als das der Einzelnen. Er sieht den Mord an Renfri als kleineres Übel an und versucht ihn so zu rechtfertigen.
Geralt stellt sich dieser Position entschieden entgegen. Es gibt für ihn kein kleineres Übel, denn Übel ist nicht messbar und kann nicht gegeneinander abgewogen werden: „Es ist alles dasselbe“. Wenn Geralt wählen kann und wählen soll, dann entscheidet er sich lieber dafür nicht zu wählen. Natürlich trifft er damit eigentlich auch eine Wahl. Aber er wählt keines der beiden Übel, sondern sucht einen Weg beide zu verhindern. Er versucht Renfri davon zu überzeugen weg zu gehen, ihren Rachefeldzug aufzugeben (denn auch sie versucht Stregobor zu töten) und ein neues Leben zu beginnen. Sein Blick auf Renfri ist nicht pessimistisch, wie es der von Stregobor ist, sondern optimistisch.
Die Entscheidung Geralts hängt auch mit einem Grundprinzip der Hexer zusammen:
Wir töten nicht aus Furcht. Wir töten, um Leben zu retten.
Geralt von Riva
Sicher lässt sich die Wahl nicht immer vermeiden und auch Geralts Versuch sich der Wahl zu entziehen scheitert in gewissem Maße. Wichtiger als das Prinzip nicht zu wählen ist in meinen Augen auch die Aussage „Übel ist Übel“, denn auch wenn man nicht um die Wahl zwischen zwei Übeln herumkommt, lässt sich doch keins von beiden als das kleinere bezeichnen. Beides ist und bleibt ein Übel. Selbst wenn man gezwungen ist eine Wahl zu treffen, darf man niemals eines der Übel herunterspielen.
Ein hoher ethischer Anspruch, den Geralt an uns heranträgt und der viele weitere Dinge nach sich zieht, über die man nachdenken kann und muss. Vielleicht wird das eine oder andere davon noch den Weg in diesen Blog finden, doch an dieser Stelle will ich den Artikel nicht überstrapazieren.